Schweizer!

Wir feiern die Einladung zur Bürgerversammlung und Überreichung des Bürgerbriefes von Bonaduz leider in über 4000 km Entfernung, dafür mit jedem verfügbaren und schmelzfähigen Käse!

Erster Ausflug

Einen ersten Ausflug in die Stadt unternahmen wir schon am 2. Tag hier. Ein kurzes Kennenlernen und eine Orientierungshilfe sollte es werden. Tbilisi liegt in einem Tal entlang des Flusses Kura und bildet immer wieder Auswüchse weg vom Tal auf die umgebenden Anhöhen wie Arme.

Wir erreichten Tbilisi von Norden her. Dies war uns nicht klar und da wir uns auf alles andere konzentrieren mussten, ist uns das Gefühl für die Himmelsrichtungen hier vermutlich in diesem Moment verloren gegangen. Will heissen: Ulrich bekommt seine Orientierung so langsam und durch ständiges Üben wieder in den Griff und ich habe aufgegeben, mir die geographische Lage dieser Stadt vorzustellen. Ein sehr seltsames Gefühl, wenn man nicht mehr weiss wierum man auf der Erde steht. Inzwischen weiss ich, dass sehr viele Menschen, die von ausserhalb nach Tbilisi reisen, das gleiche Problem haben. Für diese paar Monate werde ich mich wohl wieder an Landmarken orientieren müssen, anstatt mein Gefühl für allgemeine Richtungen nutzen zu können.

Nun unser erster Ausflug: Wie schon in Budapest entscheiden wir uns für die Hop-on-Hop-off-Variante. Den Skoda dürfen wir beim Büro von Georgia Insight stehen lassen und machen uns also erst einmal zu Fuss auf den Weg. Voll und wuselig ist dieser und das obwohl Sonntag ist.

Man sieht – schon unser erster Ausflug ist geprägt von spannender und widersprüchlicher Geschichte. Natürlich sehen wir vom Bus aus nur die schönene Seiten der georgischen Hauptstadt, aber da wir das Glück haben, dass die Führung vom Band nicht funktioniert, bekommen wir quasi einen Privatführer, den wir auch mit eigenen Fragen löchern können.

Lomisa

Gut ausgeruht nach einer wie erwartet ruhigen und dunklen Nacht macht sich die Hälfte unserer Reisegesellschaft auf den Weg zum Kloster Lomisa in der Region Mskheta, das uns als sensationeller und sehr besonderer Ort von einer freundlichen jungen Dame empfohlen wurde. Sie war es auch, die uns durch ihre Übersetzungskünste den Kontakt mit den ortsansässigen Priestern ermöglichte, die uns wiederum prompt eine Flasche hauseigenen Weines schenkten. Wir sind richtig beschämt, dass wir in der Hektik unserer Abreise vergessen haben, ein oder zwei Gastgeschenke auf Vorrat einzupacken.

Also los geht’s. Durch einen wunderbaren klaren Herbstmorgen machen wir uns an den Aufstieg zum Kloster. Die ersten 300 Höhenmeter legen wir auf einem wunderschönen Waldweg durch raschelndes Laub zurück und erreichen dann kurz oberhalb der Baumgrenze den ersten Aussichtspunkt, der mit einer Art kleinem Altar mit Kreuz als Gebetsort markiert ist.

Wir ziehen weiter bis hinauf zum Kloster. Hier leben drei Mönche ganzjährig, die aber auch regelmässig den Abstieg ins Tal auf sich nehmen, um die Versorgung mit Lebensmitteln zu gewährleisten. Ausserdem scheint es Tradition für die allgegenwärtigen Pilger zu sein, jeweils ein Stück Brennholz den Berg hinauf zu tragen.

Obwohl wir sowohl das Kloster als auch den Weg dorthin mit nur wenigen weiteren Wanderern erleben durften, scheint Lomisa eigentlich eine ziemlich wichtige Niederlassung der Orthodoxen Kirche zu sein. Auf jeden Fall drängt sich uns dieser Eindruck auf, wenn wir im Nachhinein etwas über die Geschichte und die Kirche recherchieren, bzw. Freunden von unserem Ausflug erzählen. Was uns ebenso nicht klar war: Wir befinden uns oben bei dem Kloster genau auf der umstrittenen Grenze zu Südossetien.

Der Ort selbst ist unheimlich friedlich und strahlt irgendwie eine grosse Würde aus. Das zugehörige Kirchlein ist sehr eng und karg aber mit unglaublich vielen Ikonen geschmückt, die Wanderer/ Pilger hier herauf bringen. Auch wenn wir statt der erwarteten 400 Höhenmeter schlussendlich etwas mehr als 700 hinter uns gebracht haben, war der Ausflug jeden Meter wert. Die Ausstrahlung dieses Ortes ist einfach zauberhaft.

Kazbegi – Stepanzminda

Wir haben Besuch aus Deutschland! Für zwei Wochen besucht uns meine Schwiegwerfamilie aus Nordrhein-Westphalen. Am Ende der ersten Woche machen wir uns mit zwei Wohnmobilen auf den Weg nach Stepanzminda in der Region Kazbegi. Unter grossem Chaos bestücken wir unseres sowie das grössere der beiden Wohnmobile von Georgia Insight mit allen Notwendigkeiten und machen uns gegen 15:00 auf den Weg nach Norden. Stepanzminda erreichen wir leider erst im Dunkeln und unseren Stellplatz finden wir mitten im Ort, da wo früher angeblich mal ein Zeltplatz war. Jetzt ist dort ein unbefestiger aber sehr hübscher Wald-Park, der sich ziemlich gut eignet, eine Nacht im WoMo zu verbringen.

Unser heutiges Ziel ist der Besuch der kleinen Kirche, die man auf dem ersten Bild unten sieht. Da es bis dorthin immerhin gut 400 Höhenmeter und etwa 4 km sind, ist die Kirche wohl nicht so ganz klein. Alle, die wir nicht gerade fusskrank oder lustlos sind, machen wir uns also auf den Weg nach oben, während die Schmerzgeplagten mit dem Taxi fahren, um uns dort zu erwarten. Dieser Plan geht leider nicht auf, da der Taxifahrer der Ansicht ist, dass 10 min Kirchbesichtigung reichen und man dann besser wieder runterfährt, damit man die nächsten Gäste abzocken kann. Schade.

Uns bleibt leider auch nur begrenzt Zeit die wirklich schöne Kirchenanlage zu erforschen und die sensationelle Aussicht zu geniessen bis uns ein scheinbar dramatischer Wetterumschwung in Richtung des Kazbek zwingt, ebenfalls den Abstieg anzutreten. Da Lotte ungeeignetes Schuhwerk trägt, wage ich mich barfuss auf den Abstieg und bin wirklich erstaunt und begeistert, was ein Paar Füsse so alles aushält.

Unten angekommen werden die WoMos startklar gemacht und wir treten die Heimreise an. Einmal mehr werden wir diese mit einer weiteren Nacht in der Wildnis verlängern und einmal nachsehen, wo in Georgien schöne Pätze für eine Nacht im Camper zu finden sind. Das ist nämlich einfach das schönste am Reisen mit dem Wohnmobil: Wo es schön ist, kann man hier einfach bleiben. Ist Zivilisation drumherum, kommt man immer wieder in Kontak, weil die Mobile doch eher noch eine Ausnahme darstellen und wenn nicht, umgibt einen herrliche Dunkelheit und Stille.

Ist Tbilisi eine schöne Stadt?

Diese Frage hat mir heute mein Freund Christian gestellt. Per Whatsapp. Da ist mir die Anwort zu lang. Ich habe mich entschlossen einfach eine neue Kategorie in unserem Blog zu eröffnen und Stück für Stück darauf zu antworten. Tbilisi ist wunderschön und potthässlich.

Mein erster Eindruck von Tibilisi war Stress pur. Wir hatten eine lange Fahrt hinter uns und sind genau im Feierabendverkehr in der Dämmerung in dieser Stadt angekommen. Ulrich vorneweg, ich mit dem WoMo hinterher. Der Verkehr dicht, die Fahrweise mehr als chaotisch und rücksichtslos und eine der ersten Aktionen eine Spitzkehre nach rechts und etwa 12% Steigung… Bäh!

Durch realsozialistisch anmutende, heruntergekommene Hochhaussiedlungen, die auf riesige Armut schliessen lassen, führt uns das Navi zu dem neu entstehenden Stadtteil Agaraki – im Moment noch mehr Wiese mit ein paar Häusern drauf aber ganz eindeutig im Begriff ein neuer Stadtteil zu werden – für eine eher reichere Klientel. Den Zustand der Strasse könnte man wiederum vorsichtig so beschreiben, dass die dicken SUV’s derer, die sich das leisten können, hier fast Sinn machen.

Bevor wir in diesem Moloch eine Unterkunft für die nächsten Monate finden, dürfen wir einige Tage Schonfrist knapp ausserhalb geniessen. Unsere ersten Vorstösse machen wir von hier aus.

Ich versuche jetzt einfach, meine/ unsere Erlebnisse so Stück für Stück zu erzählen. Ich denke, ich muss hier auf zwei Ebenen erzählen. Eine Ebene sind die „touristischen“ Eindrücke, die wir aus dem Erkunden der Sehenswürdigkeiten in Tbilisi gewinnen und die zweite Ebene ein „normales“ Leben, dass sich für uns aus dem langen Aufenthalt ergibt.

Wir sind jetzt seit über einem Monat in Tbilisi. Eigentlich eine Schande, dass ich nicht schon angefangen haben, Euch von unserem Aufenthalt zu berichten. Also legen wir los…

Weinernte in Kachetien

Heute ist ein besonderer Tag. In Georgien wird der letzte Erntetag gefeiert und wir sind zu Gias Familie nach Jimiti eingeladen worden, dort bei der Weinernte zu helfen und anschliessend am traditionellen Festmahl teilzunehmen.

Früh um 8:30 geht es auf nach Kachtien. Nach ca. 80 km biegen wir von der Hauptverbindungsstrasse direkt in den Acker ab.

Das Herbsten ist wie in Fischingen vor einigen Jahren noch. Eine bunte Truppe trifft sich mit Eimern, Küchenmessern und Rosenscheren und unter viel Gelächter, flappsigen Sprüchen und klebrigen Händen werden die prallen Trauben vom Stock geschnitten. Einziger Unterschied: Es ist trocken, warm und eben im Gegensatz zu matschig, kühl und steil…

Süss und prall und sonnengewärmt…

Nach immerhin einer halben Stunde werden wir zum ersten Piknik gebeten. Es gibt dieses wunderbare Steinofenbrot, Eier, Käse, Wurst, Tomaten, Hackfleischbällchen, Bohnensalat und gebratene Kartoffeln, dazu Wasser und Chachcha (ein Traubenschnaps). Ein schöner Brauch ist hier, dass man jedesmal bevor man einen Schluck Alkohol trinkt einen kurzen Dank sagt.

Frisch gestärkt ernten wir die nächsten zwei Stunden lang Trauben und fahren dann zu Gias Eltern auf den Hof. Die elektrische Maischmühle hat etwas Startschwierigkeiten, sodass wir erst noch einen Spaziergang zum nahegelegenen St. Georgs Kirchlein und geniessen die Aussicht über die Kachetische Ebene.

Die Kirche war ursprünglich das Ortszentrum bis die Dorfbewohner mehr oder weniger freiwillig dazu bewogen wurden ins Tal zu ziehen. Nun ist die Wiese, wo das ehemalige Jimiti stand mit kleinen Hütten übersäht. Diese erklären sich folgendermassen: Der Weinkeller jeder Familie ist das Herzstück des Hauses, so wie ihr Wein auch eine Art Visitenkarte darstellt. Gelagert wird der Wein in sogenannten Qvevri (grosse Tonamphoren), die für die Temperatur- und Feuchtigkeitsregulierung in die Erde eingelassen werden. Einer dieser Qvevri ist heilig. Dieser heilige Qvevri wurde nun vor Ort belassen, verschlossen und markiert so das ursprüngliche Haus seiner Familie. In jüngster Vergangenheit sind nun mehr und mehr Bewohner von Jimiti dazu übergegangen, diesen Qvevris wieder ein zu Hause zu errichten und sie teilweise angeblich sogar wieder mit Wein zu bestücken. Es ist so auch offiziell erlaubt, sich aus einem gefüllten Qvevri mit Wein zu bedienen.

Zurück auf dem Hof werden wir wiederum zwei Stunden später verköstigt. Das Essen ist wieder eine Gelegenheit sich sauber zu blamieren. In Georgien läuft das so ab: Man kommt an den reich gedeckten Tisch und isst los. So ungefähr gleichzeitig, aber einfach, wenn man sitzt. Wasser darf man auch trinken. Dann wird Wein ausgeschenkt und jetzt wird es kompliziert:

1. Ein Weinglas ist niemals ganz voll oder ganz leer – leer heisst unter halbvoll

2. Wer einen Schluck Wein trinkt, spricht einen Segen oder Trinkspruch aus – diese reichen vom Dank für die Ernte, später Freunde, dann Familie, dann Eltern (lebende und tote) und können gern mal mehrere Minuten in Anspruch nehmen

3. Nach dem “Gaumarjos” wird das Glas erhoben, auf einen Zug leer getrunken und wieder aufgefüllt – wer seine Sinne beeinander behalten will, lässt sein Glas stehen. Das ist in Ordnung, aber Nippen nicht.

Beruhigend ist noch, dass die Gläser nur so in etwa einem Achtele entsprechen.

Danke, das war wunderschön

Der Wein aus den tönernen Gefässen schmeckt völlig anders als unser klarer durchsichtiger Weisswein. Er ist auch sehr viel dunkler. Ulrich erklärt den Geschmack etwa so: Wie Vinsanto nur nicht süss. Wir müssen mal sehen, ob er daheim schmeckt. Sicher bringen wir welchen mit, wenn wir heimkommen.

Gegen 18:00 leert sich die Tafel und auch der Hof. Mit der deutlichen Warnung doppelte Vorsicht auf der Heimfahrt walten zu lassen, da in der ganzen Region solche Feste gefeiert werden, machen wir uns auf den Weg zurück nach Tbilisi. Die Fahrt ist auch deutlich anstrengend und es gibt mehr als eine brenzlige Situation, die Ulrich aber ausgezeichnet meistert. Autofahren ist hier einfach die Hölle und sich die Strasse mit Betrunkenen zu teilen, macht die Sache auch nicht besser.