Schule in Georgien

Schulschock

Schule ist ein Thema, das von sehr vielen jungen Leuten als nervig, doof und unnötig bezeichnet wird. Aber immerhin akzeptieren es die meisten und kümmern sich trotzdem darum, weil es immerhin um ihre Zukunft geht. Doch Georgien ist eine Ausnahme. Mein erster Schultag begann mit einem Schock. Es war relativ laut, aber es war ja auch die aller erste Schulstunde. Etwas verwirrt musste ich aber schnell feststellen, dass keiner der Lehrer eine Ahnung hatte, dass ich nun für ein halbes Jahr an diese Schule gehen würde. Ich war mir sicher, das alles geklärt gewesen sei, doch scheinbar sind die Informationen nur bei der Schulleitung angekommen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es diese Lehrer nicht einfach vergessen haben.

Erster Schultag

Aber zurück zum ersten Schultag. Die Hilfsbereitschaft der Schüler war absolut grandios. Da war ein Mädchen namens Kira. Sie hat mir von Anfang an sehr geholfen. Wo ich wann hin musste habe ich von ihr gelernt. Ausser in Englisch. In Englisch war ich erst in der Anfängergruppe, weil ich das Zimmer für meine Gruppe nicht gefunden habe. Nun, ich habe mich ja bereits über die Lautstärke am ersten Schultag beschwert. Ich habe mich also bei meiner Tischnachbarin Ellene informiert, ob es hier immer so laut sei. Sie meinte, es würde so nach den ersten drei Tagen besser sein. Nach zwei Wochen habe ich aufgehört mich zu fragen, wie lange georgische drei Tage sind.

Erste echte Freundin

Ich habe eben von Ellene erzählt. Sie ist schnell zu meiner allerbesten Freundin geworden. Sie war die zweite Person, die mir so viel geholfen hat. Sie hat sehr viel für mich übersetzt und mir mit den Hausaufgaben geholfen. Das einzige Problem war, dass man hier in Mathematik viel Fortgeschritteneres macht als bei uns in Mitteleuropa. Hier konnte mir auch Ellene nicht weiterhelfen.

Ich gehöre zu einer Gruppe

Ellene hat zwei Freundinnen. Salome und Ana. Diese drei Mädchen haben mich total unter ihre Fittiche genommen. In den Pausen und in Englisch habe sie mir das Leben erleichtert. In Englisch vor allem, wenn die Lehrerin begonnen hat auf georgisch rum-fluchen. Was häufig vorkam.

Jungs…

Ist euch aufgefallen, dass alle Personen, von denen ich bis jetzt berichtet habe, weiblich sind? Das ist tatsächlich kein Zufall, denn Jungs in dieser Schule haben mich nicht sehr beeindruckt. Zumindest nicht Positiv. Die ganze Zeit redeten sie, schrien rum oder warfen Papier durch das Zimmer. Lehrer aussprechen lassen? Keine Option. Aufgaben erledigen? Auch nicht. Und wozu gibt es Tische? Hier für:

Die Zeichnungen sind definitiv sehr gut. Künstlerisch sind die Georgier eh äusserst talentiert. Ich kenne den Jungen, der das hier zeichnete. Er zeichnet sehr viele Monster und Maschinen. Meistens im Mangastil. Ich war extrem beeindruckt als ich eine Mischung aus Drache und Maschine, die er in sein Matheheft gezeichnet hatte, sah. Aber ansonsten war er recht inkompetent.

Einrichtung

Die ganze Einrichtung der Schule ist ziemlich runtergekommen aber alles funktioniert. Ich glaube, es ist auch runtergekommen, weil alles bemalt und angekritzelt ist. An vielen Stellen sind auch Ecken zerschlagen oder Haken abgebrochen. Aber alles tut, was es soll. Was bei uns weiss ist, ist hier gelb oder beige. Die Tische hier sind maximal so hoch wie die Tische, die man bei uns in der ersten Klasse hatte. Am Anfang war es unbequem aber man hat sich schnell daran gewöhnt.

Unterricht

Der Unterricht ist von der Qualität her sehr unterschiedlich. Zum Beispiel in Chemie habe ich extra Unterlagen auf Englisch bekommen aber in Georgisch ist es der Lehrerin total egal gewesen was ich machte. Ihr war eh egal, was alle machten. Alle anderen haben geschlafen, geredet und gezockt. Hier in Georgien legen die Schüler ihre Schultaschen auf den Tisch. Erlaubt oder nicht ist egal. Auf jeden Fall, haben die georgischen Kinder gerne ihre Köpfe darauf liegen, oder ihre Handys darin. Bei zweiter Variante ist der Rucksack normalerweise offen. Den meisten Lehrern ist es egal was die Schüler machen.

Prüfungen

Wie viel hört man bei einer Prüfung im Zimmer? Stifte auf Papier? Nervöses trippeln mit dem Fuss? OK. Das ist normal. Reden? Diskutieren? Wütende Lehrer? Lösungen die von einem Ende des Raumes zum anderen gerufen werden? Ja, hier schon. Aber am meisten hat mich ja immer noch beeindruckt wie zwei Jungs aus der Parallelklasse mit Weihnachtsschmuck um sich gehängt ins Zimmer kamen und das mitten während der Prüfung. Nach der Englischprüfung haben drei Mädchen mit der Englischlehrerin diskutiert, um mit ihr ihre Noten hochzuhandeln. Und die Lehrerin hat mitgespielt. Ich finde das einerseits lustig, andererseits respektlos. Aber ich habe mich entschieden das nicht weiter zu beachten, aber vergessen werde ich es auch nicht.

Schulweg

Mein Schulweg geht etwa 30 Minuten lang. Ich gehe von unserer Wohnung zur nächsten Metrostation, zwei Stationen weit fahren und dann weiter zu Fuss zur Schule. Wenn ich also etwa eine Stunde brauche, um mich fertigzumachen und nicht weiss wie lange ich genau brauche, stehe ich um sieben Uhr auf, gehe um acht, und bin um halb neun da. Ich gehe zum Zimmer, schaue was ich als Nächstes habe und gucke, ob ich im Klassenzimmer bleiben kann. Je nachdem packe ich mein Zeug aus oder gehe in ein anderes Zimmer und packe dort mein Zeug aus. Dann lese ich noch und warte bis der Unterricht beginnt. Meistens sind dann so zwischen sieben und acht Leute da. Manchmal auch nur drei. Nur um anzumerken, wir sind etwa eine zwanzigköpfige Klasse. Hier zwei Bilder in der Nähe meiner Schule.

Lernen

Die georgische Sprache ist wunderschön. Erst recht die Schrift. Aber es ist einfach unlernbar. Ich kann zwar mit georgischen Buchstaben deutsche Wörter schreiben. Aber nicht georgische Wörter. Stell dir vor, du sitzt in einem Café und an den Tischen rund um dir herum sitzen lauter Georgier. Das hört sich schön an. Wie ein leiser wispernder Singsang der durch den Raum wabert. Aber seit ich hier bin, was nun ja schon fünf Monate lang ist, habe ich ein paar einzelne Wörter gelernt und kann bis 30 zählen. Ich könnte in dieser Stadt nicht ohne fremde Hilfe überleben. Auch sonst habe ich in der Schule eigentlich nichts gelernt. Ich habe drei Freundinnen gefunden und eine Kultur kennengelernt, die total anders ist, als alles was wir kennen.

Fazit

Egal was ich hier mitnehme, ein Teil von mir wird in dieser Stadt bleiben. Ich werde Ellene, Salome, Ana und Kira nie vergessen und auch nicht mehr wie gut wir es mit der Infrastruktur in der EMS Schiers haben.

Einkaufen in Tbilisi

Ich bin immer noch nicht weitergekommen mit der Frage nach der Schönheit unserer momentanen Heimatstadt.

Heute zeige ich Euch ein paar Ecken, wo man in Tbilisi einkaufen gehen kann. Wir haben auf der einen Seite diese riesigen Shoppingcenter wie Tbilisi Mall im Norden, die Galleria mitten in der Stadt und Eastpoint in der Nähe des Flughafens. Hier findet man die ganz normalen mitteleuropäischen Ketten, wie H&M, OVS, Zara oder Jysk. Damit hat es sich allerdings mit den uns bekannten Ketten. Die grösste Auswahl im Lebensmittelsektor auf westlichem Niveau bietet Carrefour – ursprünglich französisch.

Im Textilsektor gibt es in den Malls ein grosses Angebot aus der Türkei, das auch qualitativ recht ordentlich ist. Die Angebote bei H&M sowie OVS sind qualitativ wohl der Ausschuss aus unseren Breiten, aber vergleichsweise noch vertretbar, solange die Kinder wachsen. Es gibt quasi keine natürlichen Textilien aus Baumwolle, Wolle oder Seide – zumindest habe ich noch nichts gefunden. In jeder Mall gibt es auch eine ganze Reihe von Geschäften, die eine interessante Auswahl an Kleiderkreationen georgischer Modedesigner verkaufen. So sieht man auf der Strasse auch immer wieder Nähereien. Die angebotenen Kreationen sind teilweise ziemlich gewagt und leider fühlen sie sich meist aus nicht viel besser an, als die Stangenware bei H&M. Oft sind die Fäden nicht abgeschnitten, die Nähte wirken unsauber und die Stoffe oft flimsig. Es zeigt sich einmal mehr dieser Eindruck, dass gute Ideen da sind, ausgeführt werden, aber dann kurz vor der Fertigstellung aufgegeben werden und halt nicht ganz fertig trotzdem verkauft werden. Vielleicht sind auch einige der Geschäfte einfach osteuropäische Ketten, die wir nicht kennen.

Dann gibt es hier die grossen Märkte. Besonders am Stationsquare erstrecken sich die kleinen Verkaufsstände gefühlt über ein quadratkilometer grosses Labyrinth. Hier bekommt man alles. Man braucht Geduld und Mut, sich in dieses Getümmel zu stürzen, wird aber immer mal wieder mit wahren Schmuckstücken belohnt.

Auf der einen Seite wirken diese „Marktgebiete“ total chaotisch aber mit der Zeit kommt man dahinter, dass sich Kleideranbieter, Spielzeugläden, Obst und Gemüsehändler jeweils an einem Ort sammeln. Das bewirkt, dass man etwa unter einem Dach nichts als Tomaten bekommt, um die nächste Ecke nichts als Klopapier und für Waschmittel geht man noch eine Gasse weiter. Es gibt auch keine Preisunterschiede bei den Anbietern, sodass es einfach dem Zufall überlassen bleibt, wer von den Inhabern nun das Geschäft mit einem macht. Die Läden selbst präsentieren ihre Waren einfach in einem riesigen Chaos ohne Sinn und Verstand.

Was wirklich cool ist, ist, dass man eigentlich alle Produkte, die als Schüttware verkaufbar wären auch als solche bekommen kann – also Nudeln, Mehl, Zucker, Salz ebenso wie Nüsse, Bohnen, Linsen, Trockenfrüchte und Waschmittel werden in riesigen Eimern zur Verfügung gestellt und per Schaufel in Tüten gefüllt und abgewogen. Dies ist sowohl auf den Märkten als auch im Supermarkt Gang und Gäbe. Unschön wird das nur, wenn die Eimer nicht geschlossen sind und ein paar Kinder meinen, mit ihren verrotzten Fingern im Mehl Sandburgen bauen zu müssen. Da greift man dann doch lieber auf die bewährte Abfüllung zurück…

Dörrobst in allen Varianten

Auch der Umgang mit Fleischwaren ist hier sehr viel lockerer. Gleich am Eingang zum Lebensmittelmarktgebiet ist eine Fleischzeile. Hier werden ganze Hühner präsentiert, man kann Schweinefüsse kaufen, Leber liegt offen auf dem Tisch und Schweineköpfe lächeln einen (un)glücklich an – die werden auch manchmal noch ganz liebevoll von ihren Anbietern rasiert. Die Qualität wird direkt vom Kunden mit dem Finger getestet, eine Kühlung ist nur in den seltensten Fällen vorhanden. Fische schwimmen im Aquarium im Hintergrund und werden auf Anfrage eben „geangelt“. Man riecht absolut nichts. Ich habe mich trotzdem noch nicht getraut, hier Fleisch zu kaufen.

Der Fleischverkauf im Supermarkt gestaltet sich auch anders als bei uns. Man sieht direkt in die „Fleischküche“, wo Rinder- und Schweinehälften von der Decke baumeln. Durch das Einteilen der Fleischstücke vor den Augen der Kundschaft, sieht man tatsächlich einmal die Arbeit, die dahinter steckt. Alles Fleisch schmeckt hier intensiver, was sicher auch daran liegt, dass das Vieh kleiner ist und man den Kühen und Schweinen gerne auch auf der Strasse begegnet, statt in grossen Bauernhöfen oder Zuchtbetrieben.

Unvergorene Milchprodukte sind vergleichsweise sehr teuer und der Genuss von Milch eher unüblich. Vergorene Milchprodukte sind dann wieder eher finanzierbar, was sicher daran liegt, dass man davon ausgeht, dass Joghurt, Kefir und Konsorten hier in der Gegend erstmals aufgetaucht sind und damit traditionelle Lebensmittel darstellen.

Und dann gibt es noch massenweise kleine Verkaufsläden überall in der Stadt verteilt. Von Blumen über Obst und Kleidern bis traditionelle Süssigkeiten findet man hier eine buchstäblich bunte Auswahl an Köstlichkeiten.

Erster Ausflug

Einen ersten Ausflug in die Stadt unternahmen wir schon am 2. Tag hier. Ein kurzes Kennenlernen und eine Orientierungshilfe sollte es werden. Tbilisi liegt in einem Tal entlang des Flusses Kura und bildet immer wieder Auswüchse weg vom Tal auf die umgebenden Anhöhen wie Arme.

Wir erreichten Tbilisi von Norden her. Dies war uns nicht klar und da wir uns auf alles andere konzentrieren mussten, ist uns das Gefühl für die Himmelsrichtungen hier vermutlich in diesem Moment verloren gegangen. Will heissen: Ulrich bekommt seine Orientierung so langsam und durch ständiges Üben wieder in den Griff und ich habe aufgegeben, mir die geographische Lage dieser Stadt vorzustellen. Ein sehr seltsames Gefühl, wenn man nicht mehr weiss wierum man auf der Erde steht. Inzwischen weiss ich, dass sehr viele Menschen, die von ausserhalb nach Tbilisi reisen, das gleiche Problem haben. Für diese paar Monate werde ich mich wohl wieder an Landmarken orientieren müssen, anstatt mein Gefühl für allgemeine Richtungen nutzen zu können.

Nun unser erster Ausflug: Wie schon in Budapest entscheiden wir uns für die Hop-on-Hop-off-Variante. Den Skoda dürfen wir beim Büro von Georgia Insight stehen lassen und machen uns also erst einmal zu Fuss auf den Weg. Voll und wuselig ist dieser und das obwohl Sonntag ist.

Man sieht – schon unser erster Ausflug ist geprägt von spannender und widersprüchlicher Geschichte. Natürlich sehen wir vom Bus aus nur die schönene Seiten der georgischen Hauptstadt, aber da wir das Glück haben, dass die Führung vom Band nicht funktioniert, bekommen wir quasi einen Privatführer, den wir auch mit eigenen Fragen löchern können.

Ist Tbilisi eine schöne Stadt?

Diese Frage hat mir heute mein Freund Christian gestellt. Per Whatsapp. Da ist mir die Anwort zu lang. Ich habe mich entschlossen einfach eine neue Kategorie in unserem Blog zu eröffnen und Stück für Stück darauf zu antworten. Tbilisi ist wunderschön und potthässlich.

Mein erster Eindruck von Tibilisi war Stress pur. Wir hatten eine lange Fahrt hinter uns und sind genau im Feierabendverkehr in der Dämmerung in dieser Stadt angekommen. Ulrich vorneweg, ich mit dem WoMo hinterher. Der Verkehr dicht, die Fahrweise mehr als chaotisch und rücksichtslos und eine der ersten Aktionen eine Spitzkehre nach rechts und etwa 12% Steigung… Bäh!

Durch realsozialistisch anmutende, heruntergekommene Hochhaussiedlungen, die auf riesige Armut schliessen lassen, führt uns das Navi zu dem neu entstehenden Stadtteil Agaraki – im Moment noch mehr Wiese mit ein paar Häusern drauf aber ganz eindeutig im Begriff ein neuer Stadtteil zu werden – für eine eher reichere Klientel. Den Zustand der Strasse könnte man wiederum vorsichtig so beschreiben, dass die dicken SUV’s derer, die sich das leisten können, hier fast Sinn machen.

Bevor wir in diesem Moloch eine Unterkunft für die nächsten Monate finden, dürfen wir einige Tage Schonfrist knapp ausserhalb geniessen. Unsere ersten Vorstösse machen wir von hier aus.

Ich versuche jetzt einfach, meine/ unsere Erlebnisse so Stück für Stück zu erzählen. Ich denke, ich muss hier auf zwei Ebenen erzählen. Eine Ebene sind die „touristischen“ Eindrücke, die wir aus dem Erkunden der Sehenswürdigkeiten in Tbilisi gewinnen und die zweite Ebene ein „normales“ Leben, dass sich für uns aus dem langen Aufenthalt ergibt.

Wir sind jetzt seit über einem Monat in Tbilisi. Eigentlich eine Schande, dass ich nicht schon angefangen haben, Euch von unserem Aufenthalt zu berichten. Also legen wir los…