Mestia und Heimweg

Und schon bricht unser letzter Tag an. Naja so halbwegs, da wir den Heimweg wieder in zwei Etappen angehen.

Der Blick zurück in die Berge zeigt sich, wie kalt der letzte Tag und die Nacht waren. Ushguli ist bestimmt total verschneit.

So bleibt uns heute Morgen noch Zeit, endlich das Svaneti Museum zu besuchen während Ulrich sich um seine Vorlesungen kümmert. Lustigerweise gibt es in dem wirklich sehr interessanten historischen Museum gerade im Moment eine Sonderausstellung, die die Schweiz mit Georgien vergleicht. Die Gemeinsamkeiten sind ganz schön verblüffend…

Mittags machen wir uns auf den Weg. Wir möchten unterwegs noch herausbekommen, ob es auch andere Übernachtungsplätze auf dem Weg nach Mestia gibt, die sich für eine Reise mit dem Wohnmobil eignen. Es gibt davon eigentlich eine ganze Reihe am Rand der Strasse durch das Haupttal in Richtung Mestia. Wir entscheiden uns aber, wieder an dieselbe Stelle wie auf dem Hinweg zu fahren, weil die Aussicht einfach zu verführerisch ist.

Ushguli – Mestia

In der Nacht hat Regen eingesetzt und es ist richtig eklig draussen. Wieder bekommen wir ein reichhaltiges und gemütliches Frühstück in der Gaststube, während die Wirtefamilie sich schon mit der Vorbereitung des Nachtessens beschäftigt. Das scheint eine grössere Gruppe zu werden.

Ushguli im Regen

Um 10:00 holt uns Goga wieder ab und wir rumpeln zurück nach Mestia. Eigentlich sagt der weitere Tagesplan, dass wir nun die Stadt erkunden und verschiedene Museen besuchen wollen. Leider ist es so eklig draussen, dass wir uns nicht wirklich aufraffen können und die meiste Zeit im Gemeinschaftsraum des Bekos Garden Inn verbringen. Erst am Spätnachmittag mache ich mich mit den Kindern auf, das Svaneti Museum zu besuchen – nur um vor dessen Toren festzustellen, dass ich den Geldbeutel im WoMo vergessen habe…

Allerdings haben wir unterwegs einen Tisch im Restaurant Lushnu Quor reserviert, was sich als ausgezeichneter Hinweis von Marianna erweist. Wir geniessen ein wunderbares georgisches Nachtmahl in wunderschöner Atmosphäre.

Ushguli

Guten Morgen! Die Nacht war dunkel und ruhig wie schon lange nicht mehr. Frisch ausgeruht gehen wir auf 8:00 zum Frühstück, wo mir Ulrich eröffnet, dass er schon seit 6:30 wach ist und sich den Sonnenaufgang angeschaut hat – ich bin neidisch. Sonst fragt er für sowas immer nach.

Egal. Das Frühstück ist reichhaltig und lecker und wir haben heute etwas ganz Besonderes vor: Um 10:00 werden wir von einem Führer und 5 Pferden erwartet und reiten ins Tal in Richtung Gletscher. So kürzen wir die 9 km Wanderung auf 6 km Reiten und dann noch einen Spaziegang zum Shkhara-Gletscher.

Wenn man unsere Mädels so von hinten betrachtet, könnte man glatt den Eindruck erhalten, dass sie doch etwas gelernt haben in ihren dreimal Reitferien vor weiss der Geier wieviel Jahren. Auch meine zwei Reitstunden bei meiner lieben Schwester erleichtern mir die Sache erheblich – ich weiss immerhin, dass die Fersen an den Bauch gehören… Aber der arme Ulrich wird schwer durchgeschüttelt.

Gott sei Dank handelt es sich um sehr geduldige Pferde, die sich eher im Schritt fortbewegen als eine schnellere Gangart einzulegen und ausserdem wissen sie sehr genau, wo sie hin müssen. Schwierig wird die Sache nur, als sich mein rechter Steigbügel verabschiedet, weil er nicht etwa mit einer Gürtelschnalle eingestellt wird, sondern ca. 7 Knoten seine Länge bestimmen und der letzte davon sich gerade verabschiedet – jetzt ist nichts mehr mit festklammern, jetzt muss ich irgendwie dafür sorgen, dass der Steigbügel nicht von meinem Fuss rutscht.

Auf jeden Fall ist die Idee mit dem Ritt wirklich schön. Die Wanderung durch das Tal wäre eher langweilig gewesen, während wir so ein tolles Erlebnis hatten und trotzdem noch zu Fuss zum Gletschertor spazieren konnten. Ausserdem lässt im Laufe des Nachmittags das Wetter nach und wir sind ganz froh, dass wir auf dem Rückweg von unten gewärmt werden.

Zurück im Hotel machen wir eine kurze Pause – irgendwie habe ich ein Gefühl, als hätte ich übelste O-Beine und Laufen ist echt unangenehm – und dann gehen Lotte und ich ins „Kino“. Gezeigt wird der Film „DEDE“ – eine georgische Produktion in und um Ushguli. Inhaltlich sehen wir eine vorhersehbare Romeo-und-Julia-Liebesgeschichte, in der aber viele alte Traditionen der Gegend verarbeitet sind. Ausserdem sind die Landschaftsaufnahmen und auch die Porträts der Schauspieler wunderschön – also zumindest fotografisch. DEDE ist vor 2 Jahren produziert worden und man sieht doch den oder die eine oder andere Schauspieler oder Schauspielerin im Dorf beim Kühe melken, Schweine eintreiben oder Katchapuri backen.

Zum besonderen Erlebnis wird der Kinobesuch vor allem, weil das „Kino“ im Erdgeschoss eines der Wehrtürme eingerichtet ist, aus drei Reihen terassenförmig zusammengeschraubter Bretterbänke mit alten Sofakissen besteht und die Vorführung von einem Laptop mit Beamer erfolgt, während der Sound aus zwei Brüllwürfeln eher minderer Qualität quillt. Wir frieren erbärmlich in zwei dünne Kunststoffdecken gehüllt und haben richtig viel Spass! Und dann muss man sich mal vorstellen: Seit zwei Jahren wird hier ein und derselbe Film fünf mal täglich gezeigt und ernährt eine Familie – das ist Nachhaltigkeit! Und soll ich Euch was sage: Wenn ich nochmal nach Ushguli käme, würde ich wieder reingehen und diesmal alle mitnehmen!

Als wir anschliessend in Hotel kommen, ist es kalt und ungemütlich – sieht so aus, als hätten wir den letzten warmen Tag dieses Jahres genossen. Danke Ushguli!

Auf nach Ushguli

Heute geht es in zwei Schritten nach Ushguli, dem am höchsten gelegenen, dauerhaft bewohnten Dorf Georgiens/ Europas – diese Ehre teilt sich Ushguli mit Juf in Graubünden.

Erst kämpfen wir uns mit dem Wohnmobil noch etwa 120 km über eine qualitativ gemischte Strasse nach Mestia, wo wir schon von Goga erwartet werden. Bei ihm dürfen wir das Wohnmobil im Garten stehen lassen und werden mit dem Jeep ins knapp 50 km entfernte Ushguli transportiert. Die ersten 35 km haben wir noch das Gefühl, dass das auch mit dem Wohnmobil machbar wäre. Dann kommen die letzten 15 km… Vielleicht kann man das so beschreiben: das WoMo wäre auf den ersten 10 m der letzten 15 km unweigerlich liegen geblieben.

Glücklich oben angekommen werden wir im Guesthouse Ushguli Maspindzeli abgeliefert und beziehen zwei hübsche, saubere Zimmer mit Dusche und WC. Strom gibt es gerade nicht, aber das ist wohl im Moment im ganzen Ort so. Das wird dann schon wieder.

Vor dem Abendessen haben wir noch Zeit für einen kleinen Spaziergang durch’s Dorf. Ushguli ist wunderschön. Traditionell hat jede Familie ihren eigenen Wehrturm. Ursprünglich gebaut zur Verteidigung des Dorfes und als Zufluchtsort im Angriffsfall, sind die Türme von Ushguli seit 1996 UNESCO Weltkulturerbe. Sie geben dem Dorf ein archaisches und trutziges Aussehen.

Neben den Touristen leben in Ushguli etwa 70 Familien das ganze Jahr über. Ihr Einkommen bestreiten sie wohl hauptsächlich aus dem Tourismus und ein bisschen Viehwirtschaft zur Fleischgewinnung und einem absoluten Minimum an Milchwirtschaft.

Das Besondere am hiesigen Tourismus ist der familiäre Umgang mit den Gästen. Oft scheinen die Hotels umgebaute Landwirtschaftsbetriebe, die Gastgeber alteingesessene Dorfbewohner. Die Milch zum Frühstück wird direkt vor dem Hoftor gemolken und der Vormittag wird damit verbracht, gemeinsam mit der Nachbarin Gemüse für’s Abendessen zu schnippeln, während der Herr des Hauses eine halbe Rinderhaxe zu Suppenfleisch verarbeitet – im Gastraum. Die schweizer Gastrohygieniker wären begeistert…

Swanetien im Frühherbst

Da die Kinder nicht auf das geplante Schullager gehen können – mangels Teilnehmer zwei Tage vor Abreise abgesagt – und Ulrichs Semester ebenfalls um noch eine Woche vertagt wurde, haben wir beschlossen, noch ein paar Tage Georgien zu erkunden und mit dem Wohnmobil in Richtung Svanetien zu reisen.

Nachdem wir am 17. wieder nach Hause ins WoMo gezogen sind, machen wir uns ziemlich früh auf den Weg nach Westen. Gerne folgen wir den Tips von Katrin und Georgia Insight und stellen folgenden Plan auf:

18.09.2019 Reise bis nach Zugdidi, oder etwas weiter
19.09.2019 Reise bis Mestia und Taxi nach Ushguli
20.09.2019 Ushguli
21.09.2019 Taxi Ushguli – Mestia, Übernachtung in Bekos Garden Inn
22.09.2019 irgendwie weiter oder Beginn Rückreise nach Tbilisi
23.09.2019 Rückkehr nach Tbilisi

Die Reise verläuft prima und wir kommen bis etwa 40 km hinter Zugdidi, wo wir uns bereits im Haupttal der Region Svanetien befinden. Unser Übernachtungsplatz ist traumhaft auf einer Parkbucht mit Aussichtspunkt. Drei dieser allgegenwärtigen Strassenhunde bewachen uns über Nacht und ansonsten hört man nur vereinzelt ein Auto durchfahren.

Stellplatz mit Aussicht